Samstag, 7. September 2013

101. Tante Lörchen und der Chingolo


Siehe Beitrag Nr. 91 und  Nr. 93




Eines Tages fand Don Carlos bei einem frühen Spaziergang einen kleinen Chingolo, (Morgenammer), eine Vogelart, die es in Deutschland nicht gibt.

Der Kleine rief kläglich nach seinen Eltern, die nirgends zu sehen waren. Er war noch nicht flügge, hatte aber schon sein Federkleid und Don Carlos brachte ihn uns, die wir gerade mit dem Frühstück  warteten.

„Chippi“, wie wir ihn nannten,  machte mit, er hopste auf dem Tisch herum und zeigte, dass er schon sein Futter finden und aufpicken konnte. Doch es gab da auch unbekannte Gefahren wie Butter und die  Honigschüssel, danach war ein Fußbad nötig.  Auch die Federn hatten etwas abbekommen.

Das wirkliche Problem war aber,  dass er gegen die Scheiben flog. Denn fliegen lernte er schon in wenigen Tagen. Chingolos  sind auch in der Natur sehr zutraulich und er nahm uns sofort als Eltern an.

Tante Lörchen nahm ihn mit in ihr Zimmer. Es war schon warm und so ließ sie ihr Fenster offen und dort blieb er dann, frei im Zimmer und auch hinaus fliegend. Ich besorgte Alpiste  (Vogelfutter), was Chippi sofort annahm. Tante Lörchen streute es auf das Fensterbrett.

Da Chingolos  auch Insekten fressen, bot ich ihm Fliegen auf der Fliegenklappe an. Das wurde ein großer Erfolg denn so bekam er reichlich Eiweiß.  Chippi merkte irgendwie sofort,  wenn ich ihm etwas brachte, denn kaum öffnete ich die Tür, so saß er schon auf der Fliegenklappe und pickte alles eifrig auf.

Tante Lörchen hatte ihre helle Freude an seiner Zutraulichkeit, er flog ihr auf die Hände oder auf die Schulter, auch zum Fenster hinaus, wo er dann oft auf unseren Köpfen oder, zu deren Schrecken, auf fremden Köpfen landete.  Doch er kam immer wieder zu Tante Lörchen  zurück und fand nach langem Probieren auch einen, für seine Füßchen geeigneten Schlafplatz  auf dem Rand einer Vase.  Wir sorgten dann dafür, wenn er schlafen ging, ihn zuweilen so herum zu drehen, dass die Vase auch als Nachttopf dienen konnte.

Wenn Tante Lörchen  für Chippi Vogelfutter  streute, hatte er bald Gesellschaft seiner Artgenossen an dem gedeckten Tisch. Und so wurde er erwachsen. Lange danach war er noch zutraulich, bis er sich ganz zu seiner Art gesellte und wir ihn nicht mehr unter den anderen Chingolos, die sein Futter teilten, erkennen konnten.

Tante Lörchen hat ihnen dann bis zu ihrem Tode Futter gestreut.

Sonja T.


Zeichnung:  Gerda S.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen