Montag, 23. September 2013

109. Der Ferienort Villa Gesell – 7 - Ende

verdankt seine Existenz einem beharrlichen Utopisten

Aus : „Die Zeit“  1997      Nr.7   Ende
siehe Beitrag  Nr. 77, Nr. 82,  Nr. 86, Nr. 94, Nr. 99, Nr. 105

…Für seine Vision plündert Don Carlos immer wieder seine Privatschatulle: Fünfzig Hektar Land stiftet er für einen Golfplatz, mehr Land noch für einen Busbahnhof. Außerdem bezahlt er die moderne Baumschule, den Ausbau und Unterhalt der Straßen und die Verwaltung der Stadt. Reich wird er nicht dabei, aber zufrieden. Und sein Glück will er bestätigt wissen. "Nun, wie gefällt Ihnen meine Stadt?" fragt er jeden Besucher.

Dabei ist Utopia schon wieder im Wandel: Die Ferienhausbesitzer verlangen, dass die Zufahrt zur Stadt asphaltiert wird, sie denken an Fortschritt, Geld und noch mehr Touristen. 

Gegen den Widerstand des weitsichtigen Patriarchen wird die Teerstraße durch den Sand trassiert, in der Folge setzt der Massentourismus ein. Statt des Kulturbürgertums kommen nun immer mehr sonnenhungrige Großstädter. Diese neuen Urlauber begeistern sich kaum für Pinienwälder oder gar die Einsamkeit der Dünen. Was sie nach Villa Gesell führt, das ist die schnelle Verkehrsanbindung, der breite Sandstrand, die Vergnügungsmeile Avenida 3.

Carlos Gesell zieht sich aus seiner Stadt zurück. Aber immerhin: Endlich wird der Verstoßene, der "Verrückte der Dünen", auch offiziell geehrt. Drei Staatspräsidenten besuchen ihn in seinem Strandhaus, und 1971 bekommt er zu seinem achtzigsten Geburtstag, neben zahlreichen anderen Auszeichnungen, auch das deutsche Bundesverdienstkreuz verliehen als Anerkennung für die Gründung seines Badeorts.

Heute, fast zwanzig Jahre nach seinem Tod, ist das Historische Museum des Ortes Don Carlos gewidmet. Es ist seine alte Pagode in den Dünen, die noch immer überraschend modern anmutet. Seit das Erbe des Patriarchen in eine staatliche Stiftung übergegangen ist, werden seine Baumschule und das Museum weitergeführt, um den Gedanken von einst zu erhalten.

Und dann gibt es auch noch jenen Zipfel Land, der besser als jedes Museum an Don Carlos erinnert: Rosemarie, seine Tochter, führt dort einen Campingplatz, weit draußen im Süden. Hier, wo die "Sommerschwalben" nur zur Hochsaison einfallen, lässt sich in den übrigen Monaten des Jahres noch einmal die Atmosphäre von damals spüren: die Stille, natürliche Poesie und Kultur des alten Villa Gesell. Ein Rest von Utopia, fernab des Rummels.
Camping Bubi
Villa Gesell heute






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