Samstag, 22. März 2014

179. Mopsi


Es muss so gegen 1970 gewesen sein. Winterferien! Und natürlich fuhren wir nach Villa Gesell!  Zwei Wochen zum „Rumzigeunern!“ So nannte es meine Mutter.

Unser Haus saß auf einer Düne, gebaut etwa 1960 von meinem Großvater und Onkel, nicht gerade mit einem Frauenblick, sondern mehr von Ingenieuren überlegt:  Kleine Küche, kleine Schlafstuben, großes Badezimmer! Sie hatten auch ein Dachgeschoss dazu gebaut, das meistens von den älteren der Kinder, meinem großem Bruder und meiner Kusine, besetzt wurde. Wir "Kleineren", meine kleine Schwester, ein Vetter und ich, schliefen direkt darunter.

Jeden Morgen, ganz früh, als noch meine Mutter und meine Tante schliefen,  stampften meine Kusine und mein großer Bruder auf den Boden. Wir unten mussten sofort aufspringen und das Fenster öffnen. Von oben wurde ein dickes Seil runtergelassen, das am Ende einen Haken hatte.  An dem Haken hing ein Zettel mit Strichfiguren. Die Strichfiguren zeigten, weil wir ja noch gar nicht lesen konnten, was wir machen sollten:  Aufstehen, anziehen, Zähne putzen, Eimer suchen, leise vorne rausgehen und dort auf sie warten. Es wurde gerade hell.

Wir waren warm angezogen mit dicken Jacken, Mützen und Regenstiefeln. Alle fünf gingen wir runter zum Strand, Seesterne suchen.
Aber wir fanden noch allerhand mehr: Holzstücke, angetriebene kaputte Eimer und Schaufeln, verrostete Münzen und einen… Pinguin!

Wir dachten erst, er wäre tot. Er lag auf seinem Bauch, rührte sich nicht und war komplett schwarz von Öl. Aber als wir näher gingen, bewegte er den Kopf in unsere Richtung und versuchte, sich zu wehren. Doch der arme Kerl hatte keine Kraft. Meine Kusine warf ihre Jacke über ihn und nahm ihn unter den Arm. Ganz aufgeregt beeilten wir uns zurück nach Hause.

Unsere beiden Wissenschaftlerinnen  und Experten für alles Lebendige, also meine Mutter und meine Tante, kamen sofort zur Hilfe. Die Tage waren kühl genug, so dass unser Patient nicht unter Wärme zu leiden brauchte.
Wir nannten ihn „Mopsi“.

Er war wirklich hübsch, mit gelben, langen Wimpern. Wir wuschen ihn täglich mit Seife, drei oder vier Tage lang. Tagsüber lief er im Garten herum und abends schlief er im großen Badezimmer. Er gewöhnte sich so an uns, dass er uns nachlief und bettelte. Um ihn zu füttern, mussten wir ins Dorf "cornalitos" (kleine Fische) einkaufen gehen. Die mochte er gerne! Nach ungefähr einer Woche gingen wir mit  ihm an den Strand. Er watschelte neben uns her, aber wagte sich nicht von unserer Seite. Wir standen eine kleine Weile am Wasser, aber nichts geschah.  Auf einmal drehte er sich um und lief zurück Richtung Haus.
Eine kurze Woche später war unser Urlaub fast zu Ende. Wir machten uns Sorgen, weil wir Mopsi nicht verlassen wollten. Wir wollten ihn gerne mit uns nach Hause nehmen.
 "Das kommt überhaupt nicht in Frage", sagten meine Mutter und meine Tante. "Das würde er niemals überleben!"

 Als Kind denkt man nicht daran, wir hatten uns einfach in ihn verliebt. Also versuchten wir es noch einmal. Langsam gingen wir die Düne runter auf das Meer zu.
Mopsi watschelte brav neben uns her. Diesmal aber, sobald seine Flossen den nassen Sand berührten, lief er los, schneller und schneller, bis er ans Wasser kam. Dort ließ er sich plötzlich auf den Bauch fallen und in einem kurzen Augenblick war er weg.

Wir erfuhren erst später, als wir älter waren, dass Seehunde, Wale und Pinguine Richtung Norden schwimmen, um in wärmerem Wasser zu sterben.
Wir freuten uns dann mit dem Gedanken, dass wir Mopsi noch ein bisschen Zeit geschenkt hatten.

Desi K. de C.  aus USA


Zeichnung: Gerda S.

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